Die Vertragsraumordnung umschreibt grundsätzlich die Möglichkeit, dass Gemeinden mit Grundeigentümern Verträge über die hinkünftige Veräußerung und Bebauung von Grund und Boden abschließen.
Vertragsraumordnung in Tirol
Tiroler Gemeinden sind Gebietskörperschaften mit einem eigenen Verwaltungssprengel und dem Recht auf Selbstverwaltung (§ 2 Tiroler Gemeindeordnung 2001 - TGO, idgF). Jede Gemeinde kann Flächenwidmungs- und Bebauungspläne ändern und erlassen, um dadurch Bauplätze zu definieren und ihren Bewohnern die Möglichkeit zu geben, Wohnraum zu schaffen. Gemeinden fungieren als eigenständiger Wirtschaftskörper. Sie können Vermögen besitzen, dieses erwerben und verwalten. Sie sind ebenfalls in der Lage, Unternehmen zu betreiben und ganz allgemein Rechte zu erwerben.
In Tirol ist der Grund und Boden für die Schaffung von Wohnraum knapp. Die Anzahl von zehntausenden offiziellen und inoffiziellen Freizeitwohnsitzen erschwert es der Bevölkerung jedoch, sich ein Eigenheim aufzubauen. Leistbarer Wohnraum ist in Tirol äußerst rar. Die Nachfrage ist traditionell hoch. Ein Preisverfall in einem erheblichen Maße ist ebenfalls nicht absehbar. Hinzu kommt das Problem, dass Baugründe gehortet werden. Dadurch wird es für Gemeinden immer schwerer, Bauland zu mobilisieren. Denn nur eine fristgerechte und plankonforme Verwendung von Bauland kann eine Lösung für die aktuellen Probleme darstellen.
Jede Gemeinde ist daher äußerst bemüht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Vorkehrungen zu treffen, um die eigenen Raumordnungsziele zu erreichen und gleichzeitig Konflikte sowie Zersiedelung zu vermeiden. Dabei ist es insbesondere die Vertragsraumordnung, welche es den Gemeinden ermöglichen wird, ihre Zielsetzungen zu erreichen und ihren Bürgern ein Verweilen am Ort ihrer Herkunft zu ermöglichen.
Raumordnung allgemein
Unter Raumordnung versteht man die Organisation durch zB Ordnung, Entwicklung und Sicherung von Gebieten des räumlichen Umfelds, um eine anhaltende Nutzbarkeit des Lebensraums zu ermöglichen. Langfristig soll Entwicklungspotential genutzt werden. Um dies zu ermöglichen, müssen jedoch die einzelnen Ansprüche abgestimmt werden, um letztlich Nutzungskonflikte zu vermeiden.
Die Maßnahmen zur Herstellung der Raumordnung sind deshalb ein wesentliches Interesse der Verwaltung. Es soll eine nachhaltige Entwicklung des Gebietes der Bundesländer ermöglicht werden, welche soziale, ökologische und wirtschaftliche Interessen aufeinander abstimmt, um dauerhaft die Lebensverhältnisse zu verbessern.
Örtliche Raumordnung
Die Gemeinde vollzieht die örtliche Raumordnung. Sämtliche diesbezüglichen Maßnahmen und Werkzeuge fallen in ihre ausschließliche Zuständigkeit. Zu diesen auf das Gemeindegebiet begrenzten Möglichkeiten gehören unter anderen die Erlassung eines örtlichen Raumordnungskonzeptes oder von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen. Diese Maßnahmen haben sich stets in den rechtlichen Grenzen zu bewegen, die die überörtliche Raumordnung vorgeben. Die diesbezügliche Vollziehung und Gesetzgebung liegen allein beim Land.
Im Wesentlichen werden durch die Raumordnung bestimmte Möglichkeiten der Nutzbarkeit vorgegeben oder untersagt. Dem Adressaten steht es lediglich offen, sich dieser Vorgabe zu beugen, oder eben den betroffenen Raum nicht zu nutzen.
Durch die Vertragsraumordnung soll ein Ausgleich und eine Abstimmung zwischen öffentlichen und privaten Interessen erfolgen. Die Gemeinde wird sich nämlich stets eine geordnete und beständige Entwicklung wünschen. Dieses hohe Ansinnen muss daher im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages in Einklang mit den Absichten des Grundeigentümers gebracht werden. Daher gibt gerade die Vertragsraumordnung den Gemeinden ein Instrument in die Hand, mit welchem sie die Ziele ihrer Raumordnung verwirklichen können. Ebenfalls haben sie die Möglichkeit, örtliche Raumordnungskonzepte zu realisieren. Durch derartige Verträge kann Bauland mobilisiert werden, um den steigenden Wohnbedarf zu decken. Zusätzlich kann auch Raum für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben und sonstigen Unternehmen bereitgestellt werden. Gerade der Zeitpunkt, in welchem ein Eigentümer die Gemeinde aufsucht, um eine Umwidmung seines Grundes zu diskutieren, ist perfekt, sich Gedanken über die weitere Entwicklung der Siedlung zu machen. Die entsprechenden Verträge sichern dabei die Entfaltung und Ausbau der Gemeinde ab. Denn die Vertragsraumordnung sieht Möglichkeiten vor, die Frist für eine Bebauung zu begrenzen. Zusätzlich kann auch vereinbart werden, dass Teile eines Grundstücks der Gemeinde, dem Tiroler Bodenfonds oder einer gemeinnützigen Wohnbaueinrichtung zum Verkehrswert zur Verfügung gestellt werden. Diese können den dadurch nutzbaren Grund für die Realisierung von geförderten Wohnbauprojekten verwenden. Entsprechende Vertragsbestimmungen können durch grundbücherliche Sicherstellung, Vorkaufsrechte und Vertragsstrafen abgesichert werden.
Vertragsraumordnung
In Zeiten in denen Bauland knapp ist und es gerade für junge Menschen immer schwerer wird, Wohnraum zu schaffen, müssen Gemeinden Flächen für den Wohnbau sichern. Auch für Betriebsansiedelungen werden zusammenhängende Flächen benötigt, welche durch die Gemeinde geschaffen werden können. Die Vertragsraumordnung bietet nunmehr die Möglichkeit, Vorgaben für die Bebauung, Verwendung und Nutzung vertraglich zu vereinbaren. Dadurch wird die Baulandnutzung planbarer und die Entwicklungsziele der Gemeinde, lassen sich in Bebauungsplänen und Flächenwidmungen festhalten. In den Verträgen zwischen Grundstückseigentümer und Gemeinde wird der An- und Verkauf von Grundstücken geregelt. Klassische Käufer sind in Tirol der Tiroler Bodenfonds oder soziale Wohnbauträger. Diese Verknüpfung von privaten Verträgen und hoheitlichem Handeln der Gemeinde ist nur dann zulässig, wenn sie lediglich eine Grundlage für Raumordnungspläne sind und diese nicht bedingen.
Verträge im Sinne der Vertragsraumordnung werden in der Regel vor einer andiskutierten Umwidmung einer Liegenschaft in Bauland abgeschlossen. Grundstückseigentümer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte Widmung. Ebenfalls kann eine Widmung nicht in einem Verwaltungsverfahren beantragt werden. Daher soll im Rahmen der Möglichkeiten der Vertragsraumordnung ein Anreiz geschaffen werden, gemeinsam mit der Gemeinde darüber nachzudenken, ob die Umwidmung des eigenen Grundes nicht auch einen Nutzen für die Verwirklichung von Raumordnungsideen haben kann. Gerade für Gemeinden bietet die Vertragsraumordnung wichtige Möglichkeiten, Pläne umzusetzen und Bauland zu mobilisieren.
Verwendungs- und Baulandsicherungsverträge
Diese Verträge sind der Grundtyp, nach welcher zivilrechtliche Vereinbarungen geschlossen werden, um örtliche Raumordnungsvorhaben abzusichern. Mit einem Verwendungsvertrag wird der Grundeigentümer zu einer fristgerechten Bebauung seines Grundstücks verpflichtet. Während des vorgegebenen Zeitraums muss das Grundstück widmungskonform bebaut werden. Damit auch die Einhaltung der Frist sichergestellt ist, werden Buchlasten, wie zum Beispiel Options-, Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte, im Grundbuch zu Gunsten der Gemeinde einverleibt. Ebenfalls kann auch durch grundbücherliche Sicherstellung der Verkauf an Dritte ausgeschlossen werden. Zumeist bleiben diese Verpflichtungen auch bei Übergabe an die gesetzlichen Erben aufrecht. Mit diesen Möglichkeiten bekommt die Gemeinde ein umfassendes Instrumentarium, um Bebauungen sicherzustellen und die Umsetzung von Raumordnungskonzepten zu forcieren.
Das Raumordnungsrecht kennt im Wesentlichen folgende Vertragsarten:
Überlassungsverträge
Durch vertragliche Vereinbarungen können Gemeinden mit Grundeigentümern vereinbaren, dass Teile einer Liegenschaft an ausgewählte Dritte veräußert werden. Diese Dritten können die Gemeinde, der Tiroler Bodenfonds, gemeinnützige Wohnbauträger, etc sein. Der Grund für die Veräußerung muss einem öffentlichen Zweck dienen. Öffentliche Zwecke sind im Wesentlichen die Schaffung von Wohnraum oder die Grundnutzung für gewerbliche Zwecke. Damit derartige Vereinbarungen zulässig sind, müssen diverse Voraussetzungen erfüllt werden. Die beim Eigentümer verbleibende Fläche, muss dem angedachten privaten Nutzen genügen. Weiters darf der Vertrag zwischen den Parteien freiwillig zustande kommen und einer gewissen Verhältnismäßigkeit entsprechen. Letztlich ist es auch notwendig, dass der Ankauf zu einem angemessenen Preis erfolgt. Wenn nämlich diese Voraussetzungen nicht berücksichtigt werden, sind derartige Verträge ungültig.
Aufschließungsverträge
Bei Aufschließungsverträgen handelt es sich im Wesentlichen um Vorbereitungs- und Durchführungsverträge, um Bauland zu erschließen. Durch derartige Verträge soll die Baulandqualität gesteigert werden. Mit einem Aufschließungsvertrag verpflichtet sich meist ein Grundeigentümer, Herstellungskosten und Ausgaben zur Verbesserung von Infrastruktur zu übernehmen. Diese Vereinbarungen umfassen beispielsweise Plan- und Gutachterkosten, die Entfernung von Altlasten oder Abbruchtätigkeiten. Gemeinden können sich verpflichten, gegen Bezahlung Leistungen der Daseinsvorsorge wie Straßen, Abwasserbehandlung und Wasserversorgung zu erbringen. Mittels Aufschließungsvertrag erwirbt der Grundstückseigentümer auch einen Anspruch auf Herstellung von Infrastruktur. Dadurch wird sein Eigentum aufgewertet.
Der rechtliche Rahmen für Aufschließungsverträge ist sehr eng. Derartige Verträge sind nämlich nur dann zulässig, wenn die Abgabenerhebung durch die Gemeinde nicht gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Gemeinde Interessentenbeiträge und Benützungsgebühren einhebt. In diesen Fällen sind Vereinbarungen nichtig. Zusätzlich muss auch beachtet werden, dass jene Leistungen, welche vom Eigentümer zu erbringen sind, im Gesamtkontext des Vertrages verhältnismäßig sind.
Umlegungsverträge
Mit Umlegungsverträgen können neue Bauplätze geschaffen werden. Diese können ein Ersatz für behördliche Umlegungs- und Arrondierungsverfahren sein oder diese schlicht ergänzen. Dabei darf es nicht zu einer Benachteiligung von anderen Grundeigentümern kommen.
Förderverträge
Mittels Vertrags kann auch die Baulandmobilisierung durch die Gemeinde vorangetrieben werden. Dieses Ziel wird unter anderem durch die Gewährung von Baukostenzuschüssen erreicht. In diesem Zusammenhang müssen jedoch sämtliche Betroffenen gleichbehandelt werden. Es darf zu keinen Benachteiligungen kommen.
Gewinnausgleichsverträge
Durch die Änderung von Plänen können Gewinne durch Umwidmungen entstehen. Es besteht die Möglichkeit, dass der betroffene Eigentümer vertraglich verpflichtet wird, diese Gewinne abzuführen. Eine Möglichkeit, diese Überschüsse abzuschöpfen besteht darin, dass sich der Grundstückseigentümer verpflichtet, einen Teil der umgewidmeten Fläche an die Gemeinde, den Tiroler Bodenfonds, oder sonstige begünstige Erwerber abtritt.
Das Tiroler Raumordnungsrecht sieht diverse Möglichkeiten zur Sicherstellung der Vertragseinhaltung vor. Es können Vorschlags-, Zustimmungs-, Vorkaufs-, Wiederkaufs- und Optionsrechte vereinbart und auch grundbücherlich sichergestellt werden. Zusätzlich können Vertragsstrafen vereinbart oder Bankgarantien ausgestellt werden. Die Absicherung der Vertragstreue durch eine verpflichtende Rückwidmung ist jedoch nichtig, wenn diese nicht auf Grund der raumordnungsrechtlichen Gegebenheiten notwendig ist.
Damit Vereinbarungen der Vertragsraumordnung ihre Gültigkeit behalten, gibt es diverse Aspekte zu berücksichtigen. Die Gemeinde darf zum Beispiel bei Baulandwidmungen keinen Anspruch auf eine Fläche für die Aufschließung stellen, die größer als tatsächlich benötigt ist. Räumordnungspläne und die Vereinbarungen der Vertragsraumordnung müssen gerichtlich anfechtbar sein. Der Abschluss einer Vereinbarung im Sinne der Vertragsraumordnung darf ebenfalls nicht alleinige Voraussetzung für Widmungen sein. Letztlich müssen Raumordnungspläne immer Deckung in den einschlägigen Gesetzen finden. Durch die Vertragsraumordnung darf die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks nicht eingeschränkt werden. Weiters dürfen Bauherren nicht im Rahmen eines Vertrages dazu gezwungen werden, ein Projekt auf eine vorgegebene Art und Weise auszuführen. Ebenfalls sind kostenlose Grundabtretungen nichtig. Es muss nämlich bei Veräußerungen immer der Verkehrswert der Grundfläche berücksichtigt werden. Zusätzlich dürfen auf den Grundeigentümer keine gesetzlichen Verpflichtungen abgewälzt werden. Erst wenn die Widmung durchgeführt wird, wird der Vertrag gültig.
Gemeinden sind im Gegensatz zu Privatpersonen an bestimmte Vertragsinhalte gebunden. Sie dürfen keine Grundrechte verletzen. Die Verträge müssen im öffentlichen Interesse sein. Gemeinden sind verpflichtet, vor Vertragsschluss auf Widmungshindernisse hinzuweisen. Die Verträge müssen immer zur Erreichung der Ziele notwendig sein. Gemeinden dürfen sich nur eine gewisse Zeit lang binden. Die Gemeinde darf auch eine Widmung nicht davon abhängig machen, dass auf Schadenersatzansprüche wegen mangelhafter Bodenbeschaffenheit verzichtet wird. Das Scheitern von Vertragsverhandlungen darf ebenfalls nicht in eine grundlose Widmungsentscheidung münden. Letztlich darf die Gemeinde sich nicht vertraglich zu einer bestimmten Widmung verpflichten.
Wenn diese vorgenannten Voraussetzungen nicht eingehalten werden, sind die Verträge ungültig oder sogar nichtig. Somit kann eine Vertragsanfechtung vor einem ordentlichen Gericht erfolgen. In diesem Zusammenhang ist es für die Gemeinde entscheidend, dass sie stets als Unternehmer im Sinne des Konsumentenrechts gilt.
Zusammenfassung
Die Erstellung von Vereinbarungen im Sinne der Vertragsraumordnung ist eine sehr spezielle Materie. Wie zuvor ausgeführt, ergeben sich nämlich diverse Besonderheiten und zwingende Vertragsinhalte. Die Nichtbeachtung dieser Vorgaben kann dazu führen, dass Verträge anfechtbar oder sogar nichtig sind. In diesen Fällen bleibt die Umwidmung jedoch bestehen. Letztlich überwiegen jedoch die Vorteile bei weitem die Risiken, da die Vertragsraumordnung wesentliches Mittel für die Baulandgewinnung in Tirol sein wird.